Wieso ausgerechnet Sankt Goarshausen?
Das fragen mich alte Bekannte und Freunde.
Wie kommst du denn hierher?
Das fragen mich die neuen Nachbarn und Freunde in Sankt Goarshausen.
Katrin Vetters / geboren 1964 in Bonn / verheiratet / Studium Japanologie, Soziologie, Medienwissenschaften / M. A. / Journalistin / Autorin / Bloggerin / Immobilien-Consultant (IHK) / ehrenamtliche Beigeordnete der Loreleystadt Sankt Goarshausen / Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache
Für beide Seiten hier eine kurze und eine etwas längere Antwort.
Im Jahr 2013 habe ich am Rheinufer in der Loreleystadt Sankt Goarshausen ein Haus gekauft – ursprünglich als Anlageobjekt, um es zu sanieren und als Ferienhaus zu vermieten. Dann habe ich mich in die Gegend verliebt, hier meinen Hauptwohnsitz genommen und mich in der Lokalpolitik engagiert.
Soweit die kurze Antwort für alle, die es eilig haben. Doch dahinter steht eine längere Geschichte. Dass ich heute hier bin – Rheintal, Sonnenseite, Loreleynähe – obwohl ich vorher ganz woanders war – habe ich vermutlich den Generationen vor mir zu verdanken.
Meine Großeltern väterlicherseits lebten in Sachsen, doch meine Großmutter muss als junges Mädchen einmal am Rhein gewesen sein. Jedenfalls war das Rheintal ihr Sehnsuchtsort, sie muss ihren drei Söhnen oft davon vorgeschwärmt haben. Mein Vater war derjenige unter den dreien, den das Fernweh am meisten angesteckt hatte. Er verließ die DDR, machte in Westberlin seine Lehre zum Brau- und Malzmeister, und ging dann „in den Westen“, um Berufserfahrungen zu sammeln, Geld zu verdienen und die Welt kennenzulernen. Er arbeitete in Baden-Württemberg, dann in der Schweiz und erinnerte sich dann an die Begeisterung seiner Mutter für das romantische Rheintal. In Bonn fand er zuerst eine Anstellung als Braumeister, dann im Büro der Brauerei meine Mutter, die natürlich zu dem Zeitpunkt noch nicht Mutter war, sondern ein sogenannter Backfisch aus dem Rhein-Sieg-Kreis (also rechtsrheinisch!). Die beiden heirateten am 22. Juni 1963, und am 23. März 1964 wurde ich geboren. 1966 war schon das dritte Kind unterwegs, und wir zogen nach Koblenz-Niederberg (rechtsrheinisch!). Alles Zufall. Heute lebe ich wieder auf der sonnigen rechten Rheinseite. Aber zwischendurch war ich viel unterwegs. Marburg, Trier, Berlin, Bruchsal, Mainz, Schlangenbad. Und jetzt – endlich angekommen am Ziel der Träume meiner Großmutter.
Neubeginn mit Haus und Blog
Als ich im April 2013 diesen Blog startete, war es leicht, die obligatorische „über mich“-Seite zu schreiben. Fernsehredakteurin saniert altes Haus und schreibt über die schöne Gegend. So simpel war das. Aber schon der Hauskauf im Mittelrheintal war ein Symptom dafür, dass ich mit dem alten Leben im Speckgürtel des Rhein-Main-Gebiets nicht mehr zufrieden war. Ich berufe mich seitdem gern auf das Wort Abenteuer im Blogtitel. Abenteuer ist nicht berechenbar. Das Leben auch nicht. Und deshalb entwickelten sich Haus und Blog anders als gedacht.
Das Abenteuer nahm Fahrt auf, als ich mich in Sankt Goarshausen in den Stadtrat wählen ließ. Ich wollte helfen, den alten Kran vor meinem Haus zu retten und ein bisschen was für den Denkmalschutz tun. Für den Tourismus natürlich auch. Schon während meiner 15-jährigen Arbeit für die Landesschau Rheinland-Pfalz hatte ich mich auf die Themenfelder Energie, Bauen, Architektur und Denkmalschutz spezialisiert.
Der Blog über die Haussanierung war also erstmal nur eine etwas persönlichere Auseinandersetzung mit einem längst vertrauten Thema und lief deshalb ganz gut nebenher
Doch dann kam die sogenannte Flüchtlingskrise. Sie hat viele Menschen mobilisiert und manche politisiert. Auch das ein großes Abenteuer. Plötzlich wurde vielen klar, wie gut es uns geht. Für mich sind die Flüchtlinge, die ich kennenlernte, menschlich und intellektuell bereichernd. Sie helfen mir meinen Horizont zu erweitern, sie sind eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, und ich finde, wir sollten sie annehmen. Ja, die Flüchtlinge und die Herausforderung. Also begann ich, Deutsch zu unterrichten.
Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis
Doch Beruf, Ehe, Lokalpolitik, Haussanierung, Flüchtlingsarbeit und Bloggen waren zu viel, um den Alltag einigermaßen beschaulich zu meistern. Also habe ich mich schweren Herzens entschieden, auf das zuerst zu verzichten, was ich am längsten betrieben habe: auf die Arbeit als Fernsehjournalistin. Bisschen schwierig wurde es, weil das meine Haupt-Einkommensquelle war. Außerdem ist so ein Beruf für den gesellschaftlichen Status wichtig, wenn man denn auf Status Wert legt. Und auch dann, wenn man zwar glaubt, wenig Wert darauf zu legen, aber politisch etwas erreichen möchte. – Zwickmühle.
Egal. Job weg, endlich frei. Downsizing, Downshifting, Loslassen-Können, Reduktion aufs Wesentliche – all das sind zeitgenössische Schlagworte, die mir sagen, dass andere ähnliche Erfahrungen machen. Oder gern machen würden.
Ich unterrichte nun dreimal wöchentlich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und versuche so, zur großen Aufgabe der Integration beizutragen. Dabei lerne ich meine Muttersprache aus einer ganz anderen Perspektive kennen.
Der Kran ist inzwischen auf einem guten Weg, und ich kann mir mehr Zeit für die lokalpolitische Arbeit nehmen, denn ich möchte die Stadt voranbringen. Das politische Engagement steht jetzt im Vordergrund, und die Haussanierung ist in den Hintergrund getreten. Im Vergleich zu 2013 sind politische Themen heute, im Jahr 2017, viel präsenter und drängender.
Mit anderen Worten: Es bleibt viel zu tun, und es bleibt spannend.