Die Burgenbloggerin legt den Finger in die Wunde
Das ist die beste PR-Aktion seit Verleihung des Welterbe-Titels: Schräg gegenüber, auf der anderen Rheinseite, schreibt seit Kurzem eine Bloggerin über das Leben im Oberen Mittelrheintal. Um die Stelle des Burgenbloggers konnte man sich im vergangenen Jahr bewerben. Das Rennen machte Jessica Schober, die deshalb jetzt auf der Burg Sooneck wohnen darf und neugierig und unvoreingenommen über die Gegend berichtet. Die Burgenbloggerin darf den Finger in die Wunden legen. Sie braucht dabei keine Konsequenzen zu fürchten, denn anders als ich ist sie in sechs Monaten wieder weg.
Nach wenigen Tagen im Amt hat sie eines schon gemerkt: „wenn wir jetzt übers Mittelrheintal reden, dann höre ich immer wieder drei Themen: Bahnlärm, Brückenbau und Windräder. Das sind alles so Schlechte-Laune-Themen.“
Eine Watschn vom Staatssekretär
Die Burgenbloggerin genießt große mediale Aufmerksamkeit, schon deswegen, weil die Rhein-Zeitung bei dem Projekt mitmacht. Aber auch die oberste Denkmalschutzbehörde. Und also kommt der Kulturstaatssekretär die Bloggerin auf der Burg besuchen. Das Gespräch zwischen beiden ist ein echter Kracher. Eine der Wunden, in denen mitleidlos herumgewühlt wird: die Loreley. Die Burgenbloggerin ist enttäuscht von der Ödnis auf dem berühmten Felsen. Kulturstaatssekretär und Welterbe-Beauftragter Walter Schumacher: „Dieses Areal gehört zu einer Verbandsgemeinde, die nicht an der Spitze des Fortschritts ist.“
Zack. Das sollte sitzen.
Nun ist die Empörung groß in unserer Verbandsgemeinde. Das Interview hat einen kleinen Medienskandal entfacht. Rücktritt! Nestbeschmutzer!
Die Kritik des Staatssekretärs ist berechtigt, deswegen die laute Resonanz.
Doch wie immer sind die Hintergründe der angeprangerten Missstände kompliziert und werden es wohl nie auf den Burgenblog schaffen. Dass die VG Loreley Produkt einer Fusion ist, die Verbandsgemeindeverwaltung seitdem weit weg von der Loreley in Braubach sitzt, dass die Loreleystadt Sankt Goarshausen von Ehrenamtlichen regiert wird, was bei der Menge und Vielfalt der Aufgaben nahezu unmöglich ist, … . All das interessiert am Ende niemanden, sondern nur das Ergebnis ist sichtbar, die baulichen Missstände, für die die Einwohner und Ratsmitglieder sehr oft eine scheinbar einfache Lösung zur Hand haben: abreißen!
„Dass man auch mal etwas renovieren muss, das hat sich hier erst verspätet durchgesetzt.“, so der Staatssekretär in dem erwähnten Gespräch. (Da irrt er leider. Meine Erfahrung: Dass man auch mal was renovieren muss, das hat sich hier noch keineswegs überall durchgesetzt.)
„Burgenbloggerin mischt das Mittelrheintal auf“
Jessica Schober hat inzwischen auf ihrem Blog auf den Wirbel reagiert: „Hier ist Klartext-Zone“.
So wird eine Diskussion befeuert, die der Gegend nur gut tun kann.